Bohrwiderstandsmessung an Holztragwerken

Die Bohrwiderstandsmessung ist ein zentrales Werkzeug zur zustandserfassenden Untersuchung von Holztragwerken im Bestand. Mit einem speziellen Messgerät wird eine sehr dünne Nadel (typisch ca. 3 mm) durch das Holz geführt. Dabei wird der Widerstand (Drehmoment bzw. Leistungsaufnahme) kontinuierlich über die Bohrtiefe aufgezeichnet. Aus dieser Messung entsteht ein Profil des Bohrwiderstands, das eng mit der Rohdichteverteilung des Holzes korreliert und damit Rückschlüsse auf inneren Zustand, Querschnittsverluste und Schädigungen zulässt.  

Die Methode wird seit vielen Jahren für Konstruktionsholz, Fachwerk, Brücken, Dachstühle und andere Holztragwerke eingesetzt und erlaubt eine sehr gezielte, lokal begrenzte Untersuchung mit geringem Eingriff in die Bauteile. In Holzschutz- und Holzschadensgutachten dient sie insbesondere dazu, innen liegende Fäulnisherde, Insektenfraß, Hohlstellen und Dichteänderungen innerhalb eines Querschnitts zu erkennen.  


Zweck und Anwendungsbereich

Ziel der Bohrwiderstandsmessung ist die zustandsnahe Bewertung der inneren Holzstruktur bei möglichst geringer Eingriffstiefe. Typische Anwendungsfälle sind:

  • Untersuchung von Dachstühlen, Deckenbalken, Pfetten, Stielen, Fachwerkhölzern und Holzstützen

  • Nachweis oder Ausschluss von holzzerstörenden Pilzen (z. B. Braunfäule, Weißfäule) und Insektenbefall im Inneren

  • Lokalisierung von Hohlräumen, Rissen, Kernfäule und Altbefall

  • Abschätzung von Querschnittsverlusten als Grundlage für die statische Bewertung

  • Ergänzung von visuellen und handnahen Untersuchungen im Rahmen einer umfassenden Zustandsanalyse historischer Holzkonstruktionen  

Gerade im Denkmalschutz, wo der Substanzschutz und die Minimierung von Eingriffen im Vordergrund stehen, bietet die Bohrwiderstandsmessung eine Möglichkeit, gezielt und lokal begrenzt in kritischen Bereichen zu prüfen, ohne großflächig Bauteilöffnungen vornehmen zu müssen.


Funktionsweise der Bohrwiderstandsmessung

Bei der Messung wird eine lange, dünne Bohrnadel mit konstanter Vorschubgeschwindigkeit in das Holz eingetrieben. Das Gerät zeichnet dabei die für den Vortrieb erforderliche Leistung bzw. das Drehmoment über den gesamten Bohrweg auf. Diese Werte werden als Bohrprofil (Kurve) dargestellt.  

Typische Interpretationen dieses Profils:

  • Gleichmäßige, hohe Bohrwiderstände: Hinweis auf dichte, intakte Holzbereiche

  • Deutliche Abfälle im Profil: Hinweise auf verminderte Dichte, z. B. durch Fäule, Hohlräume oder stark abgebautes Kernholz

  • Stark schwankende Kurven: Hinweise auf wechselnde Dichte, z. B. durch Jahrringstruktur, Reaktionsholz oder lokale Schädigungen

  • Sehr niedrige Widerstände über längere Abschnitte: Hinweis auf stark geschädigte oder nahezu hohl liegende Bereiche

Die Auswertung erfolgt stets unter Berücksichtigung von:

  • Holzart, Wuchsrichtung und Jahrringanordnung

  • Feuchtegehalt im Messbereich

  • Lage der Bohrung im Querschnitt (Randzone, Kernbereich, Nähe zu sichtbaren Schäden)  

Eine qualifizierte Interpretation setzt Erfahrung in Holzanatomie, Holzschutz und Tragwerksbewertung voraus; die Messkurve allein ersetzt keine Gesamtschau des Bauteils.


Ablauf der Untersuchung an Holztragwerken

Im Rahmen einer bauwerksbezogenen Untersuchung werden Bohrwiderstandsmessungen in mehreren Schritten eingebettet:

  1. Visuelle und handnahe Untersuchung

    Zunächst erfolgt eine systematische Sicht- und Handprüfung des Tragwerks: Erfassung von Rissbildern, Verformungen, Holzoberflächen, Verfärbungen, Insektenbefall, Feuchte-Hinweisen und konstruktiven Schwachstellen.  

  2. Festlegung der Messpunkte

    Auf Grundlage der Befunde werden repräsentative und kritische Querschnitte ausgewählt (Auflagerbereiche, Anschlusszonen, Feuchtebelastung, sichtbare Vorschäden). Die Lage der Bohrungen wird so gewählt, dass Tragwirkung und Bauteiloptik möglichst wenig beeinträchtigt werden.

  3. Durchführung der Bohrwiderstandsmessungen

    An den ausgewählten Stellen werden mit einem Bohrwiderstandsmessgerät (Resistograph oder vergleichbare Messsysteme) Bohrungen definierten Durchmessers und Verlaufs ausgeführt. Dabei entsteht für jede Bohrung ein eigenes Messprofil.

  4. Dokumentation

    Messstandorte, Bohrtiefe, Bohrwinkel, Holzart, Feuchtegehalt und Beobachtungen vor Ort werden dokumentiert. Fotos der Messstellen, Querschnittsskizzen und ggf. Planausschnitte gehören zur vollständigen Unterlage.

  5. Auswertung und Zusammenführung

    Die Bohrprofile werden einzeln und im Zusammenhang mit den visuellen Befunden, Feuchtemessungen, konstruktiven Randbedingungen und statischen Anforderungen bewertet. Erst diese Zusammenführung erlaubt eine belastbare Aussage zur Zustands- und Resttragfähigkeitsabschätzung.


Zustandsfeststellung von Holztragwerken

Aus der Kombination von Bohrwiderstandsmessungen und weiteren Befunden lassen sich u. a. folgende Aussagen ableiten:

  • Qualitativer Zustand der inneren Holzstruktur (intakt, teilgeschädigt, stark geschädigt)

  • Tiefe und Ausdehnung von Fäule- und Insektenzonen über den Querschnitt

  • Verbleibende tragfähige Querschnittsanteile, insbesondere an Auflagern, Knotenpunkten und hoch beanspruchten Balkenzonen

  • Abgrenzung von oberflächlichen Schäden gegenüber kernnahen Schädigungen

  • Ableitung des Bedarfs an Verstärkungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen (z. B. Verstärkungen, Teilersatz, Sicherungsmaßnahmen)

In Verbindung mit statischen Nachweisen nach den jeweils gültigen Holzbauregeln können diese Aussagen genutzt werden, um Tragsicherheit und Gebrauchstauglichkeit der Holztragwerke zu überprüfen und ggf. erforderliche Maßnahmen zu definieren.  


Ergänzende Untersuchungsmethoden: Feuchte und Klangbild

Die Bohrwiderstandsmessung wird in der Praxis sinnvollerweise durch weitere, nicht oder gering zerstörende Verfahren ergänzt:

  • Feuchtemessung

    Die Holzfeuchte beeinflusst sowohl die Tragfähigkeit als auch die Interpretation der Bohrprofile. Erhöhte Feuchten begünstigen Pilzbefall und führen langfristig zu Festigkeitsverlusten. Mit elektrischen Widerstands- oder kapazitiven Messgeräten sowie ggf. Mikrowellenverfahren werden Feuchteverteilung und kritische Feuchtzonen erfasst. Diese Messungen liefern wichtige Kontextinformationen für die Deutung der Bohrwiderstandskurven und für Aussagen zur biologischen Dauerhaftigkeit.  

  • Klopf- und Klangprobe

    Durch gezieltes Abklopfen der Holzoberflächen mit Hammer oder geeigneten Klopfwerkzeugen und das Hören bzw. Aufzeichnen des Klangbildes können erste Hinweise auf Hohlstellen, Entfestigungen oder Rissbildungen gewonnen werden. Ein klarer, harter Klang spricht eher für dichte, tragfähige Bereiche; dumpfe, „hohle“ oder deutlich gedämpfte Klänge können auf stark geschädigte oder entfestigte Zonen hinweisen.

    Die Klangprobe ist ein einfaches, orientierendes Verfahren, das die Auswahl der Messpunkte für Bohrwiderstand und Feuchtemessung unterstützt, aber für sich allein keine tragfähige Zustandsbewertung ersetzt.

In Kombination ergibt sich ein mehrstufiges Untersuchungs- und Bewertungskonzept, bei dem zunächst mit visuellen, klangbezogenen und feuchtesensorischen Verfahren orientierend gearbeitet wird und anschließend mit der Bohrwiderstandsmessung gezielt in kritischen Bereichen vertiefende Informationen gewonnen werden.


Grenzen und fachgerechter Einsatz der Bohrwiderstandsmessung

Trotz der sehr geringen Bohrdurchmesser bleibt die Bohrwiderstandsmessung eine minimalinvasive, nicht vollständig zerstörungsfreie Methode: Jede Bohrung erzeugt einen kleinen Kanal, der prinzipiell als Eintrittspforte für Feuchte oder Mikroorganismen dienen kann. Daher sind Anzahl und Lage der Messungen abzuwägen und auf das fachlich notwendige Maß zu beschränken.  

Weitere Grenzen:

  • Die Messung liefert lokale Stichproben; die Übertragung auf den gesamten Querschnitt oder das gesamte Tragwerk erfordert Erfahrung und ggf. mehrere Messpunkte.

  • Holzart, Wuchsmerkmale und Feuchte beeinflussen das Profil; ohne Berücksichtigung dieser Faktoren sind Fehlinterpretationen möglich.

  • Die Bohrwiderstandskurve bildet primär die Dichteverteilung ab; konkrete Festigkeitswerte und Tragfähigkeitsnachweise lassen sich nur im Zusammenspiel mit weiteren Informationen und Bemessungsmodellen ableiten.

Bei fachgerechtem Einsatz – eingebettet in eine systematische Bauwerksuntersuchung mit klarer Dokumentation und statischer Bewertung – ist die Bohrwiderstandsmessung jedoch ein sehr wirkungsvolles Instrument, um Holztragwerke im Denkmalbestand und im Altbau zu beurteilen, Substanz zu erhalten und gezielte, minimalinvasive Instandsetzungskonzepte zu entwickeln.